Rebenbotschaft
Riesling Traube zum Zielpunkt der Lese

Riesling: Eine Reise vom Rhein zu den Rocky Mountains

Beim Riesling wird es vielleicht etwas lokalpatriotisch, denn ich bin im Rheingau geboren. Irgend etwas muss dort in meinen Jahren 0 bis 2 passiert sein, der Riesling ist für mich immer etwas mehr als nur eine Rebsorte – er ist ein unerklärliches Stück Heimat. Vielleicht eine Erinnerung an die grünen Hänge und die kühlen Nebel des Morgens aus der Kinderwagenperspektive, wer weiß das schon. Egal, lasst uns zusammen die faszinierende Reise des Rieslings von seinen deutschen Wurzeln bis hin zu den fernen Ufern und Gebirgen der Welt verfolgen. Wir werden entdecken, wie die Umgebung den Charakter dieser vielseitigen Traube prägt und wie ihre Geschichte von der Tradition und Innovation der Winzer erzählt wird.

Wurzeln am Rhein: Der Riesling in Deutschland

In Deutschland hat der Riesling eine lange und stolze Geschichte, die tief in der Kultur und im Herzen des Weinbaus verwurzelt ist. Heute entfallen mehr als 75% aller Rebstöcke im Rheingau auf den Riesling. Neben dem Rheingau sind Rheinhessen, Mittelrhein und die Mosel wichtige Anbaugebiete, die jeweils ihre eigenen charakteristischen Weine hervorbringen. Der Rheingau selbst, mit seinem gemäßigten Klima und den mineralreichen Böden, ist bekannt für Rieslinge, die eine perfekte Balance zwischen Süße und Säure aufweisen. Diese Weine spiegeln die Seele der Region wider – ein Zusammenspiel von Geschichte, Landschaft und menschlicher Hingabe.

Auf der anderen Seite des Rheingaus, auf der sogenannten „ebsch Seit“ in Rheinhessen, wo auf etwa 18% der Weinanbaufläche Riesling kultiviert wird, entstehen Weine, die von trocken und knackig bis hin zu elegant und fruchtbetont reichen. 

An den oftmals sehr steilen Hängen von Mosel und Saar, wo Riesling etwa 60% der Rebflächen ausmacht, entstehen Weine, die bekannt sind für ihre Langlebigkeit. Ein gut gelagerter Mosel-Riesling kann nach Jahrzehnten noch eine beeindruckende Frische und Tiefe aufweisen. Die einzigartigen Schieferböden der Region tragen zu dieser Langlebigkeit bei, indem sie den Weinen eine markante Mineralität und Komplexität verleihen. Von hier stammen auch die aktuell teuersten Rieslinge der Welt. Laut der Online Bewertungsplattform Wine Searcher kostet eine Flasche Scharzhofberger Trockenbeereauslese vom Weingut Egon Müller glatte 16.100 Euro. Na dann Prost…

Riesling Aromen KI Bild
Typische Aromenausprägung des Riesling: Limette, Grüner Apfel, Quitte, pink Grapefruit, oft auch nasser Schiefer und Kreide (Bild mit der Künstlichen Intelligenz Dall-E erstellt)

Der Blick über die Grenzen

Im Elsass, wo der Riesling etwa 21,7% der Weinanbaufläche einnimmt, und in Österreich, mit einem Anteil von rund 14% an der Gesamtrebfläche, präsentiert sich der Riesling ebenfalls von seiner besten Seite. Im Elsass sind viele alte Rebstöcke zu finden, die zur Intensität und Komplexität der Weine beitragen, während in Österreich die moderne Weinbaukunst dazu führt, dass die Weine bereits in jungen Jahren ihre volle Ausdruckskraft zeigen.

Von seinen traditionellen Weinregionen Europas aus hat sich der Riesling auf eine weltweite Reise begeben. Mit einer Einschränkung, es darf der Rieslingtraube nicht zu heiß werden, das mag sie nicht. In Neuseeland, wo das kühle Klima und eine stetige maritime Brise vorherrschen, entwickeln die Rieslinge eine frische, lebendige Fruchtigkeit, die oft an Zitrusfrüchte und tropische Noten erinnert. Auch aus den kühleren Hochlagen des Eden Valley in Adelaide kommen zunehmend spannende Rieslinge. In den Rocky Mountains der USA, wo die Trauben in großer Höhe reifen, entstehen Rieslinge mit kräftigeren Aromen und einer markanten mineralischen Note. Diese Weine sind Zeugen der Anpassungsfähigkeit des Rieslings und seiner Fähigkeit, die Einzigartigkeit jedes Terroirs widerzuspiegeln.

Terroir und Technik: Die Kunst des Riesling Weinbaus

Überall auf der Welt, wo Riesling angebaut wird, ist es die Kombination aus Terroir – dem Zusammenspiel von Boden, Klima und Lage – und der Kunstfertigkeit der Winzer, die jedem Wein seinen Charakter verleiht. Ob es sich um die traditionellen Methoden im Rheingau oder um innovative Techniken in Neuseeland handelt, jeder Winzer bringt seine eigene Philosophie und sein eigenes Handwerk in die Flasche ein. So entsteht eine unglaubliche Vielfalt an Stilen und Geschmacksprofilen, die alle eines gemeinsam haben: Sie erzählen eine Geschichte von ihrem Ursprung.

In den letzten Jahren haben Trends wie der biodynamische Weinbau und der Einsatz nachhaltiger Praktiken auch im Riesling-Anbau an Bedeutung gewonnen. Diese Methoden betonen die natürliche Balance im Weinberg und können zu Weinen führen, die das Terroir noch deutlicher zum Ausdruck bringen. Ebenso spielen moderne Technologien im Weinbau eine Rolle, um die Qualität der Weine zu steigern und gleichzeitig die Umweltauswirkungen zu minimieren.

Potentiale der Rebsorte Riesling

Rieslinge gehören zu den langlebigsten Weißweinen der Welt. Sie sind berühmt für ihre Fähigkeit mehrere Jahrzehnte in der Flasche reifen zu können und weiterhin frisch zu schmecken. Die wenigsten können einen Riesling 20 oder 30 Jahre lang reifen lassen, aber selbst fünf bis zehn Jahre Lagerung auf der Flasche nach der Lese reichen. Schon da zeigt sich sein Potential und seine außergewöhnliche Entwicklungsfähigkeit. Gereifte Rieslinge entwickeln Noten von Honig und Toast, haben aber immer noch viel von ihrer erfrischenden Säure.

Riesling als Speisebegleiter

Als kulinarische Begleitung ist der Riesling vielseitig einsetzbar. Ja, auch außerhalb der Spargelsaison. Ein klassischer Rheingau Riesling, mit seiner ausgewogenen Säure und Frucht, ist der perfekte Partner zu leichten Gerichten wie einem frischen Sommer-Salat oder gedünstetem Fisch. Einen gereiften Rheingau Riesling (Jahrgang 2010) hatte ich zuletzt zu einem Raclette geöffnet, das war der Hammer! Ein kräftigerer Riesling aus dem Mittelrhein passt hervorragend zu würzigen Speisen, wie etwa einem Thai-Curry. Die eleganten und oft feinfruchtigen Rieslinge der Mosel sind eine hervorragende Wahl zu Sushi oder leichten Pasta-Gerichten. Ein Kabinett von der Mosel eignet sich übrigens auch ganz hervorragend zum Aperitif, und zwar nicht nur aufgrund seines geringeren Alkoholgehaltes. Für die etwas volleren Rieslinge aus dem Elsass empfehle ich traditionelle elsässische Gerichte wie Flammkuchen oder Choucroute. Österreichische Rieslinge, mit ihrer straffen Struktur, ergänzen hervorragend Gerichte wie Wiener Schnitzel (ein großes sorry dafür an den Grünen Veltliner) oder gebratenen Fisch.

Meine ganz persönlichen Weinempfehlungen aus den Regionen

Am Ende wird es genauso subjektiv wie am Anfang. Es gibt so so so viele wunderschöne Rieslingen, aber für den Moment muss ich auswählen. Also. Für den Rheingau empfehle ich einen Riesling von Johannes Eser vom Weingut Johannishof, der die typische Balance und Eleganz der Region widerspiegelt. Außerdem mag ich den Betrieb einfach sehr, nicht zu groß, persönlich, authentisch, wie für mich gemacht. Aus Rheinhessen wäre ein Riesling vom Weingut Manz ein idealer Partner, um die Vielseitigkeit dieses Anbaugebietes zu erleben. Für einen klassischen Mosel-Riesling empfehle ich die Weine von Markus Molitor, bekannt für seine feine Mineralität. Aber auch die edelsüßen Weine von Molitor (Stichwort Aperitif!) sind immer eine gute Entscheidung. Aus dem Elsass ist ganz klar das Weingut Dirler-Cadet mein persönlicher Favorit, für mich eine exzellente Wahl, um die Fülle und Komplexität der elsässischen Weine zu genießen. In Österreich bietet das Weingut Nikolaihof aus der Wachau ganz herausragende, biodynamisch erzeugte Riesling, die die typische Struktur und Klarheit der Region zeigen.

Fazit:

Riesling ist toll. Auch außerhalb der Spargelzeit. Ich persönlich mag es auch bei Weißweinen nicht zu jung, ein Sauvignon Blanc darf gerne 3-5 Jahre alt sein. Beim Riesling dürfen es für mich auch sehr gerne 10 Jahre sein, dann macht er Spaß, wenn die spritzige Säure mit dem grünen Apfel nicht mehr alleine auf der Bühne steht, wenn noch etwas Kreide, Petrol oder tropische Früchte hinzukommen. Das zuhause in meinem Keller immer durchzuhalten ist aber nicht immer gleich leicht. Und zur Region. Klar. Ob ich ins Weinglas oder in den Spiegel schaue. Aus dem Rheingau kommen halt einfach die Besten 🙂

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