Rebenbotschaft
Chamonix Estate Terasse

Chamonix Estate

Wenn ich auf einer Weinreise bin, genauer gesagt meistens Wochen davor, versuche ich Weingüter zu recherchieren, die man aus mehreren Gründen heraus gerne besucht. Weil die Weine toll sind, das Weingut eine interessante Geschichte zu erzählen hat, weil der Besuch ein gutes Erlebnis verspricht. Warum mir das wichtig ist? Erstens weil ich selbst Spaß haben möchte, und zweitens weil ich finde, dass eh zu viel Negatives geschrieben wird. Da muss ich mich nicht auch noch einreihen, ich gebe viel lieber positive Tipps.

Das mit der Recherche gelingt leider nicht immer. Heute Nachmittag hatte ich nichts vor in Franschhoek, habe mir spontan überlegt, einfach mal meiner Nase zu folgen. Und die wollte nach oben, an den nordöstlich von Franschhoek gelegenen Hang, zum Chamonix Estate. Meine Idee dabei? 350 Höhenmeter, Nachmittagssonne bis zum Sonnenuntergang, ein wohlklingender Name, was man sich halt zusammenreimt, wenn man im Detail uninformiert ist.

Und tja, was soll ich sagen: Wo Licht bzw. Spitze ist, ist halt auch Schatten, oder Durchschnitt. Es können halt nicht alle Weingüter erstklassige Weine produzieren. Es gab Jahre, da war ich in Mathe mit einer gepflegten Note 3 auch ganz zufrieden.

Der optische Eindruck am Anfang war sogar noch recht erfreulich. Die Terasse für das Weintasting nicht so auf Hochglanz poliert wie viele andere hier in der Region. Vom Stil her etwas shabby chic, abgeplatzte Farbe an den schweren, französischen Bistrostühlen. Die Sonnenschirme mit leichten Stockflecken, verschmutzt vom Laub der Eiche darüber. Die Sitzkissen haben schon den Jahrgang 2012 gesehen, leicht sonnengebleicht. Für viele Südfrankreichurlauber ist das ein Traum. Und ja, Chamonix Estate könnte ein schöner Platz sein, auch und gerade im Kontrast zu den gestylten Locations hier. Könnte, Konjunktiv II, die gute alte Möglichkeitsform.

Die Abluftanlage vom Keller war so dermaßen laut, nein, das mutet man keinem Gast zu. Das war unangenehm, basta. So will man nicht sitzen, weder einfach so, geschweige denn zu einem Weintasting. Nein, das kann man sich schenken, tut mir leid.

Spaß im Glas bei Chamonix Estate?

Nochmal, ich mag weder schlechte Erfahrungen, noch mag ich etwas schlecht schreiben müssen. Also hatte ich große Hoffnung auf die Weine. 350 Höhenmeter, nordöstliche Hanglage, Nachmittagssonne, gute Bedingungen und so. Ist mir auch nicht gelungen, zumindest bei keinem von drei Weißweinen. Zwei kamen aus ihrer Chamonix Range, einer aus der Reserve Range. Mehr habe ich mir dann erspart. Aber in a nutshell:

Unoaked Chardonnay, Chamonix Range, Jahrgang 2023, Mandarine in der Nase, frisches Gras. Am Gaumen super frisch, Zitrusaromen pur, vorrangig Lemon, Grapefruit, parallel dazu kommt der Alkohol mit seinen 14 Vo.% durch. Der Speichel fängt an zu fließen, mein Körper reagiert super, muss das Brennen im Mundraum löschen.

Ebenfalls Chamonix Range, Chardonnay 2021, Aromen von Limone und Mandeln in der Nase. Am Gaumen dieselben Aromen wie beim ersten Wein, dazu noch etwas Kiwi und zurückhaltendes Holz. Zum Glück dieses Mal nicht auch noch brennender Alkohol am Gaumen, dieser Wein hat nur 13,5 Vol.%.

Auch Minuten nachdem ich die beiden Weine verkostet habe, hatte ich noch Zitronensaft im Mund. Wenn ich das will, trinke ich Zitronensaft.

Abschließend ihr Estate White Jahrgang 2021, ein weißer Bordeaux Blend aus der Reserve Range. Wieder überwiegend Zitrusnoten, in ordentlicher Balance mit Bienenhonig und etwas schwarzem Tee. Adstringierend auf der Zunge.

Wie seinerzeit bei den WSET Lehrgängen habe ich jeden Schluck ausgespuckt. Ne Leute, nicht jede Vermietungsanlage für Ferienwohnungen braucht ein angeschlossenes Weingut. Und in Chamonix fährt man weiter besser Ski, statt Wein zu machen. Klimawandel hin oder her.

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